1964 | geboren in Heide/Holstein | |||
1981 | - 90 | Freie kuenstlerische Arbeit mit Fotografie | ||
1990 | - 96 | Studium an der Akademie der Bildenden Kuenste in Muenchen bei Prof. Winner | ||
1997 | Freie kuenstlerische Arbeit mit Fotografie in Barcelona | |||
2002 | Teilnahme an der Kunst Koeln 2002 | |||
Michael Holst lebt und arbeitet in Muenchen |
Wenn man wenig sieht, schaut man laenger hin
Zu den Fotoarbeiten von Michael Holst
Michael Holst beschaefftigte sich jahrelang mit kuentlerischer Fotografie, ehe er an die Akademie der Bildenden Kuenste in Muenchen ging und bei Gerd Winner studierte, wo seit einigen Jahren die innovative Fotokunst herkommt. Waehrend seines Studiumsist er konsequent beim Foto geblieben, aber die Kunst hat er soweit vorangetrieben, dass sie fast nichts mehr darstellt. Dahinter steht ein Konzept. Michael Holst arbeitet geradezu absichtlich gegen das, was gemeinhin der Fotoapparat kann und wozu er entwickelt worden ist: Oberflaechen abbilden. Wenn man die Unzahl der fotografierbaren Oberflaechenreize bedenkt, so sind die Fotoarbeiten von Michael Holst an der aeussersten Grenze des Sichtbaren angelangt. Nur die Schwarz-Weiss-Aesthetik der Fotografie ist eingesetzt, um in feinen Abstufungen von Grautoenen Streifen und Spuren von Lichterscheinungen auf grossformatigem Fotopapier einzufangen.
Aber gerade in dieser Bescheidung auf ganz wenige Inhalte liegt nicht nur Bescheidenheit, sondern konsequente Absicht. Dennoch kann diese Bescheidenheit Groesse evozieren. Das Entschiedene und Einfache liegt oft nur einen Steinwurf vom Erhabenen entfernt. In das Wenige, was dargestellt ist, draengt sich ein Geist, der den Stoff maechtig aufbauscht, und den sichtbaren Strukturen auf den Fotoarbeiten ueber ihre blosse Anwesenheit hinaus eine ausserordentliche Dinghaftigkeit und Manifestation verleiht. Der Kuenstler beschreitet damit einen Weg mit seinen Abbildungen, die vom Uebersehbaren bis hin zur Festigkeit einer monumentalen Mauer reicht, welche die ganze Welt der Bildflaeche begrenzt. Ausgangspunkt ist zunaechst eine Reduktion des Sichtbaren. Sie erscheint hier als notwendige Klaerung, um die Dinge schluessig auf den Punkt zu bringen. Die Frage bleibt dennoch offen, ob mit dem Wenigen, was festgehalten wird, auch etwas gesagt wird, was Wert ist, gesagt zu werden. Indem diese Arbeiten von Michael Holst die vermeintliche Vielfalt ueber Bord werfen, gelangen sie zu einer Selbstverstaendlichkeit und grossen Ueberzeugungskraft. Gerhard Hoehme formulierte einmal:" Je weniger man sieht, desto laenger schaut man hin." Aus dieser alltaeglichen Erfahrung macht Michael Holst das Thema seiner Kunst. Es ist das Sehen selbst. Carolin van Heesen schrieb zu den Arbeiten von Michael Holst:" Er kippt den Raum und knipst das Licht aus." Der Gesichtssinn wird angesprochen, indem er in die Irre geleitet wird. Reduziertes Sehvermoegen erzeugt Orientierungslosigkeit und das wird paradoxerweise mit exakten Abblidungen und der Linse eines Fotoapparates erreicht. Die technische Maschine, die nichts anderes wahrnehmen kann als eine klar erkennbare Aussenwelt, wird ad absurdum gefuehrt.
Das Vokabular seiner Bilder ist schnell beschrieben: Senkrechte oder waagrechte Streifen und sich wiederholende Strukturen. Die Streifen teilen das Bild in einen Vorder- und einen Hintergrund. Wobei der Vordergrund wiederum in sich strukturiert, gefaltet und dadurch dreidimensional wirkt. Aber immer schwingt mit, dass die Anordnung gleicher Strukturen auf der Bildflaeche einen anderen Raum bewirkt, der ungewohnt ist. Das Auge versucht ihn auszuloten und zu hinterfragen. Ein Raum bildet sich, der zugleich wieder in die Flaeche zurueckgeholt wird. Endlichkeit und Unendlichkeit werden ueber dieses Verfahren fuehlbar. Die Wahrnehmung wird irritiert und das Auge geht ins Leere. Konsequent verfolgt Michael Holst diesen einmal eingeschlagen Weg. Er laesst sich weder mit zeichnerischen noch malerischen Mitteln erzeugen, sondern nur fotografieren. Die besprochenen Streifen und Strukturen sind naemlich nichts anderes als immer wieder anders angeordnete fotografierte Treppen. Die Treppe steigt oder faellt in den Raum hinein und verschliesst den Raum in der Frontalansicht, wie eine Mauer. Die raeumliche Wirkung ist abhaengig von der Perspektive und von der Beleuchtungssituation dieser Treppen. Dadurch entsteht so etaws wie ein Stolpergefuehl, das jeder kennt, wenn man nicht weiss, ob die Treppe hoch oder runter geht. Das Sehen wird in den Arbeiten von Michael Holst auch zum Stolpern gebarcht und wird zwischen Raum und Flaeche, zwischen Streifen und Objekten hin und her bewegt. Seine Streifenbilder entfernen sich dabei immer mehr vom Dreidimensionalen und wirken wie Spuren von Licht. Licht wird der eigentliche Faktor der Raumerzeugung. Lichtaenderungen akzentuieren Raeumlichkeit. Dieser Zusammenhang von Licht und Raum ist ein weiteres Thema des 'Lichtbildners' Michael Holst. Wer sehen will, muss erst einmal die Augen schliessen, muss es sich schwierig machen und eine Distanz zwischen sich und den Gegenstand legen. Deshalb ist das Vokabular des Kuenstlers streng begrenzt. er unterwirft es Erprobungs- und Forschungssituationen.
Neben den Treppen und Lichtstreifen tauchen Strukturen auf, die wie Rippen von Heizkoerpern aussehen, wie elektrische Schaltungen, oder wie Architektonisches. In dieser Auswahl wird Anordnung, Serielles, Mathematisches, Berechenbares, Technisches und Kuenstliches evoziert. "Nichts von Dialektik - geradlinig verlaufen die Konturen" (Gottfried Benn). Diese Form ruft Imagination hervor. Unsere Zeit, die Zeit der Maschinen, scheint Bild zu werden: Faszinierend, aber auch irritierend begreift sie das Auge nicht mehr. Weiss auch der Mensch nicht mehr, in welche Raeume und in welche Zukunft er dadurch gefuehrt wird? Die sich verselbstaendigenden technoiden Strukturen verschliessen den Raum und damit die Welt, indem sie anwachsen und sich ausbreiten. Der Mensch hat keinen Platz mehr wo er sich aufhalten koennte.
Mit ueberzeugenden Bildern fuehrt der Kuenstler den Betrachter zu dieser Erkenntnis und dafuer ist es wert, die bunte Vielfalt ueber Bord zu werfen. Denn sonst koennte es dem Menschen wie der Maus in Franz Kafkas "Kleiner Fabel" ergehen, die auf der Flucht vor dem Leben in eine Sackgasse geraet. "Du musst nur die Laufrichtung aendern", sagte die Katze und frass sie.
Rudolf Greiner